Warum führen wir dieses Projekt durch?
Ursprünglich aus dem Bereich der Suchtprävention entstanden, unterstützt die „Spielzeugfreie Zeit“, eine Vielzahl, von im bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan aufgeführter Basiskompetenzen.
Das Konzept "Spielzeugfreier Kindergarten" entstand aus der gesellschaftskritischen Überlegung heraus, dass das Leben der Kinder (und auch der Erwachsenen) zunehmend geprägt ist von Konsumverhalten und durchrationalisierter Freizeitgestaltung. Dadurch werde aber verhindert, dass Kinder eine eigene Problemlösungskompetenz ausbilden. Zentrales Anliegen des Konzepts "Spielzeugfreier Kindergarten" ist es, die Lebenskompetenz-Ressourcen der Kinder zu stärken und zu fördern.
In der Zeit von drei Monaten, finden sowohl bei den einzelnen Kindern, als auch in der Gruppe, verschiedene Veränderungen statt.
Durch das Fehlen der Spielsachen, müssen sich die Kinder sehr intensiv und ausdauernd miteinander und mit sich selbst auseinandersetzen und beschäftigen. Dies formt die eigene Persönlichkeit in Bereichen wie, Kreativität, Selbstwahrnehmung besonders von Gefühlen, Konfliktbereitschaft und –fähigkeit, Gruppenzugehörigkeit, Sprachverhalten und neuen kognitiven Leistungen.
Der Umgang miteinander rückt in den Vordergrund und fordert die Kinder ständig zum Austausch mit dem Gegenüber auf.
Im normalen Alltag bei uns, findet Jeder viele Angebote, Möglichkeiten und Materialien vor, jetzt müssen die Kinder in starkem Maße selbst aktiv werden.
Auch die Mitarbeiter verändern ihre Rolle, den aktiveren Part geben sie an die Kinder ab. Ideen müssen die Kinder selbst entwickeln, die Erwachsenen sind unterstützend und ermutigend zur Seite. Wir geben Impulse, beobachten, spielen mit, beaufsichtigen, moderieren Konflikte und dokumentieren.
Wir trauen den Kindern zu, den Tag selbst in die Hand zu nehmen, stellen jedoch natürlich auch mit den Kindern verbindliche Regeln auf.
Die Hintergründe über Basis-, bzw. Lebenskompetenzen (Selbstbild,
Sozialkompetenz, …), dem Wissen, wie wir lernen ( z.B. durch selbständiges Erproben) und über die Grundbedürfnisse des Menschen ( Autonomie, selbst tätig sein, …), haben uns zur jährlichen Durchführung dieses Projektes bewegt.
Den Kindern wird keineswegs das Spiel genommen, es wird vertieft und verändert und die Inhalte werden neu erlebt. Die Spielfähigkeit ist eine Grundvoraussetzung für seelisches Wohlbefinden und für das Lernen. Vielfältige Spielerfahrungen sind also ein Schatz des Kindes, aus welchem es lebenslang schöpfen kann.
Bei der Umsetzung des Konzeptes gehe es nicht darum, dass Spielzeug für immer und generell verbannt werden soll. Es soll nur für einen begrenzten Zeitraum wegfallen. Innerhalb dieses Zeitraumes wird eine Situation hergestellt, in der Kinder ihre Lebenskompetenz unabhängig von äußeren "Problemlösern" trainieren können. Das Projekt richtet sich also nicht gegen Spielzeug, sondern die Herausnahme des Spielzeugs und das Wegfallen der Angebote ist eine Methode, um in einem begrenzten Zeitraum eine Situation zu schaffen, in der Kinder ihre Lebenskompetenzen erproben und entwickeln können".
Die spielzeugfreie Zeit kann nicht alles bewirken, fordert aber die Kinder in Bereichen heraus, die sonst zu wenig Beachtung finden.
Mögliche Verhaltensweisen, während des Projektes, bei den Kindern
Diese Veränderungen kann man phasenweise, auch zu Hause, beobachten:
- Langeweile - neue Ideen zu entwickeln braucht Zeit, man wird erst dann selbst tätig und kreativ, wenn die Notwendigkeit dazu besteht
- Höhere Lautstärke – es wird in der Gruppe viel mehr gesprochen, natürlich wollen sich die Kinder übertönen
- Eventuell, aggressiveres Verhalten – ist zunächst nichts Bedrohliches, auch damit muss der Umgang erlebt und erlernt werden, Unterdrücken von Gefühlen ist kein sinnvolles Vorgehen. Aggression wird im Alltag meist mit Ersatzhilfsmitteln verbannt. Ziel ist es, eigene Gefühle wahrzunehmen und selbst regulieren zu können (BEP 5.2 Selbstregulation ). Dazu bedarf es der Unterstützung durch begleitende Erwachsene, welche Problemlösungsprozesse kommentieren.
- Regeln werden gefordert – es wird vermehrt ausgetestet, was gestattet und was verboten ist. Die Kinder stellen selbst auch Regeln auf, damit das tägliche Miteinander funktioniert.
- Müdigkeit – besonders am Nachmittag zu Hause sind die Kinder früher müde, als sonst. Das ist ganz normal, der Tag ist viel anstrengender geworden.
Die Kinder werden sich auch wesentlich schmutziger machen, da sehr viel im Freien gespielt wird.
Zu Hause müssen die Spielmaterialien nicht weggeräumt werden.
Praktische Durchführung
- Die Kinder werden auf die kommende Zeit vorbereitet. Das Spielzeug wird gemeinsam eingepackt und auf den LKW geladen.
- Kisten, Decken, Kissen, Naturmaterialien, Tücher, Polster, Schachteln, Autoreifen, Getränketragl, uvm., stehen im Haus, bzw. im Garten zur Verfügung.
- Stifte, Kleber, Papier und Werkzeug stehen den Kindern auf Nachfrage, zur Realisierung ihrer Spielideen zur Verfügung.
- Auf Wunsch der Kinder werden Feste, Ausflüge, Projekte durchgeführt.
- Alle Räumlichkeiten stehen frei zur Verfügung, die Kinder müssen sich in ihrer Gruppe abmelden. Aufsicht ist im gesamten Haus/Garten gewährleistet.
- Zu Beginn und Ende der drei Monate gehen wir eine Woche lang, täglich in den Wald. Ansonsten mindestens einmal in der Woche.
- Der Hunger und der Appetit steigen sichtlich an. Bitte mehr Brotzeit mitgeben!
- Die Vorschulprogramme „Hören-Lauschen-Lernen“ und „Das Zahlenland“ werden durchgehend weitergeführt.
- Vor der ersten Abholzeit finden gruppenintern Kinderkonferenzen statt.
- Gemeinsame Regeln, werden gemeinsam erstellt und gelebt.
- Vor Beginn des Projektes wird ein Informationsabend für die Eltern angeboten. Etwa nach 1,5 Monaten findet ein gruppeninterner Elternabend statt. Am Ende, bitten wir an einer kurzen schriftlichen Umfrage teilzunehmen.
- Wenn das Spielzeug zurückkommt, wird es nach und nach wieder in die Räume aufgenommen. Die Kinder entscheiden selbst, was sie wann brauchen. Oft dauert es zwei Monate, bis das ganze Material wieder benützt wird.
Einblicke
Ältere Kinder erinnern sich und setzen sofort neue Ideen, ob handwerkliche oder kreative, um. Sie organisieren sich Pappe, Papier, Werkzeug, Nägel etc. Wichtig: Die Kinder lösen das Beschaffungsproblem selbst, denken nach, woher sie was bekommen können; sprechen Erwachsene oder Kinder, die ihnen behilflich sein könnten, selbst an!!
Andere beobachten erst zögerlich und unentschlossen. Je nach Zusammensetzung der Kindergruppe verlaufen die Inhalte der Projekte sehr unterschiedlich. In manchen Jahren stehen handwerkliche, kreative Interessen im Vordergrund, in anderen Jahren finden die Kinder Rollenspiele oder das Experimentieren interessanter.
Jedoch in allen Projekten entwickeln sich schon nach kurzer Zeit sprachliche Kompetenzen, die Suche nach eigenen Lösungswegen und soziale Beziehungen, vor allem Verhandlungsgeschick und die Achtung vor den Leistungen anderer viel stärker als sonst.
Die Kinder testen Reaktionen anderer. Dabei gehen sie mitunter über die sonst üblichen Grenzen hinaus. Dieses, wenn auch im geschützten Rahmen, auszuhalten, stellt Kinder wie Erzieherinnen auf die Probe und gibt ihnen gleichzeitig die Möglichkeit, sich frei zu entfalten und zu neuen Einsichten und Einstellungen zu gelangen.
Während dieses Projektes erfolgt in umfassender Weise SELBSTBILDUNG.
Die Aufgabe der Erzieherin liegt in der genauen Beobachtung. Sie gewährt den Schutz der Gesundheit und Würde der ihr anvertrauten Kinder und unterstützt die Kinder beim Finden von Lösungen.
Das Projekt ist eine Chance, Basisiskompetenzen sehr intensiv zu entwickeln. Sie dienen der seelischen Grundlage einer gesunden und starken Persönlichkeit.
Spielzeugfreie Zeit – Projektzeit
Im Jahr 2016 haben wir uns entschlossen, aufgrund unserer 10 jährigen Erfahrungen mit der „Spielzeug freien Zeit( SFZ)“, einige Änderungen vorzunehmen. Wir wollten neue Wege gehen, die für die Kinder besser umsetzbar sein sollten.
So entstand aus dem „Original“ der SFZ von 1989, unser eigenes Projekt.
Wir haben uns dazu entschlossen, das vorgefertigte Spielzeug für drei Monate deutlich zu reduzieren, kreatives Material beizubehalten und die Kinder verstärkt in Projekten zu unterstützen.
Der Grundgedanke bleibt jedoch erhalten (gerne können Sie sich in den ausgelegten Materialien und auf unserer Homepage darüber informieren):
„ Die SFZ fördert Lebenskompetenzen gerade dadurch, dass sie auf das Trainieren isolierter Fähigkeiten verzichtet.“ ( Leitfaden Spielzeugfreier Kindergarten, Aktion Jugendschutz Anna Winner 4.Auflage 2005 )
Es wird in dieser Zeit noch mehr, als sonst darauf Wert gelegt, die Kinder in Ihren Basiskompetenzen zu stärken und deren Entwicklung zu ermöglichen.
Denn obwohl die Anfänge dieser Idee bereits bald dreißig Jahre her sind, gelten die darin beschriebenen, positiven Auswirkungen auf die seelische Gesundheit eines Kindes noch immer.
Ein Mensch, der von sich aus selbst-wirksam sein darf und kann, erlebt sich als stark genug, allen Herausforderungen in seinem Leben standhalten zu können.